NN/NEUM/LOKAL/LOKAL6 – Sa 14.04.2012 – SONDER

Ludwigskanal: Eine Kloake bekommt Badewasserqualität
Behörden und Fischer sind sich einig: Jahr für Jahr verbessert sich die Güteklasse — Flossenträger im Labor: Keine Schadstoffspuren

VON WOLF–DIETRICH NAHR
Die Tierwelt im Alten Kanal ist ein verlässlicher Gradmesser für die Wasserqualität in der historischen Schifffahrtsstraße. Dabei ist das jüngste Fischsterben im Neumarkter Stadtgebiet mit ungeklärter Ursache untypisch: Experten stellen dem künstliche Gewässer sehr gute Zensuren aus – das war nicht immer so.
NEUMARKT — „Gülle, Düngemittel – früher gab es viele blinde Einleitungen, zum Teil hatten wir eine brutale Wasserqualität“, erinnert sich Johann Medl. Der Chef des Neumarkter Fischereivereins muss es wissen: Gemeinsam mit rund 1000 Mitgliedern ist er als Pächter quasi Herr über 26 Kilometer Ludwigskanal, von der Rappersdorfer Brücke bei Berching bis zum Ölsbacher Einschnitt.
Der Angler-Vormann in der Rückschau: „Es gab Zeiten, da ist Abwasser zum Beispiel an der Mooswiese oder an der Hasenheide ungeklärt in den Kanal geflossen.“ Vor gut zehn Jahren gab es im Stadtgebiet ein verheerendes Fischsterben: 120 Zentner tote Tiere trieben im Alten Kanal; die städtische Versicherung musste 80000 Euro zahlen; es dauerte fünf Jahre, bis der Fischbestand sich wieder erholt hatte. „Das war wirklich brutal, es war zum Heulen“, sagt Johann Medl heute.
Doch der Fischereiexperte bescheinigt der Stadt Neumarkt und den Behörden, dass sie sehr effektiv eingegriffen haben: Kläranlagen, Ölabscheider und Sandfangvorrichtungen für Oberflächenwasser sorgten unter anderem dafür, dass die Wasserqualität „jedes Jahr besser“ werde. Und Medl ist sich ziemlich sicher: „ Es gibt keine unkontrollierten Einleitungen mehr.“
100 Liter pro Sekunde
Dabei hat die denkmalgeschützte Wasserstraße genug potenzielle Schadstoffquellen durch eine Reihe großer und kleiner Zuflüsse aus dem Umland: Im Neumarkter Raum ergießen sich aus dem Pilsacher, dem Hausheimer und dem Kettenbacher Leitgraben sowie aus dem Woffenbach jeweils pro Sekunde etwa 100 Liter Wasser in den Alten Kanal. Hinzu kommt, dass die so genannte Scheitelhaltung auf rund 24 Kilometern zwischen der Schleuse in Sengenthal und der Schleuse 33 bei Burgthann praktisch ein stehendes oder allenfalls sehr langsam fließendes Gewässer ist (siehe auch „Zur Sache“). „Je nachdem, welcher Leitgraben gerade mehr Wasser bringt, kann es in beide Richtungen fließen“, beschreibt Thomas Plagemann vom Wasserwirtschaftsamt Regensburg die Verhältnisse.
Wegen der Vielzahl natürlicher Zuflüsse lässt sich der Eintrag von Nährstoffen und Düngemitteln von den Äckern und Wiesen am Alten Kanal nicht ausschließen – dafür aber die Einleitung von Abwässern, wie Plagemann versichert. Die Laborwerte des Kanalwassers rangieren nach Behördenangaben alle im grünen Bereich: Auf der siebenstufigen Skala erreicht der Ludwigskanal die Gewässergüteklasse 2. „Man kann problemlos baden“, versichert Thomas Plagemann. Proben aus der teils bis zu 80 Zentimeter hohen Schlammschicht müssen den strengen Richtlinien der Klärschlammverordnung standhalten. „Unbelastet, ohne Einschränkung verwendbar“, lautet das Urteil des Untersuchungslabors. Auch beim Stickstoff und beim Phosphor gibt es keine Alarmzeichen. Der so genannte pH-Wert liegt zwischen acht und neun und damit eher im basischen und nicht im sauren Bereich. Natürliche Erklärung: Viel Kanalwasser fließt aus kalkhaltigen Jura-Gesteinsformationen zu. Verräterisch könnten am Ende Schadstoffanreicherungen in
Kanalfischen sein. Aber auch da gibt es einschlägige Untersuchungen und Entwarnung: Die Flossenträger sind frei von Schwermetallen, Ölen oder Benzolen (siehe weiteren Bericht).
Bleibt allerdings ein wasserwirtschaftlich-biologisches Mysterium: Seit etwa vier Jahren nimmt im Kanal die „Verkrautung“, der explosionsartige Wuchs von Tausendblatt, Laichkraut und Krebsschere immer mehr zu und breitet sich nach Norden aus. Für den Fischereipächter ist dies ein „großes Problem“, weil das Angeln zeitweise nicht mehr möglich ist.
„Ökologisch nicht negativ“
Nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes ist die Ursache auch nach intensiven Untersuchungen ungeklärt. Wasserexperte Plagemann hält den Verdacht für nicht beweisen, dass während der Landesgartenschau Pflanzen eingeschleppt worden seien. Alle Gegenmaßnahmen mit Rechen, Sensen, durch das Entschlammen beispielsweise sind bisher wirkungslos geblieben. Das Wasserwirtschaftsamt sieht den grundlegenden Zielkonflikt: Auf der einen Seite den Erhalt der künstlichen Wasserstraße als Denkmal; auf der anderen Seite die Entwicklung des Naturraumes.
Letztlich bewertet Thomas Plagemann das starke Pflanzenwachstum als „ökologisch nicht negativ“. Die Wasserflora bilde einen Schutz von Jungtieren vor hungrigen Räubern. „Da wimmelt es vor vielen kleinen Fischen, für die Population muss das nicht schlecht sein.“ Andererseits droht auch Sauerstoffmangel durch Bewuchs und Verschlammung. Thomas Plagemann: „Man muss dranbleiben, denn für die Fische könnte es am Ende eng werden.“

Der Alte Kanal ist ein gut überwachtes Gewässer: Das kühle Nass aus der historischen Wasserstraße sieht zwar an vielen Stellen trüb aus, aber biologisch und chemisch ist es von einwandfreier Qualität. Foto: Horst Linke Eine Idylle über und unter Wasser: Der Ludwigskanal zwischen Holzheim und Berg (im Vordergrund ein Sicherheitstor, mit dem sich die Wasserstraße in der „Scheitelhaltung“ in Abschnitte teilen lässt). Foto: Horst Linke