All jenen, die über ihre stagnierende Fitness jammern, raten wir: Haut nicht den Hut drauf, sondern macht mal Pause! Und zwar richtig: Nur wer die Kunst des Regenerierens beherrscht, kann im Training Stärke zeigen.

Immer das gleiche Lied: Je näher es dem Saisonfinale zugeht, umso größer wird die Schar der ratlosen Hobbysportler, die aus dem Wundern nicht rauskommen: Obwohl sie brav, hart und regelmäßig den inneren Schweinehund zum Training schleppen – es geht einfach nichts weiter! Ja, ihr fester Vorsatz, fitter und leistungsfähiger zu werden, kehrt sich sogar ins Gegenteil: Trainingserfolge bleiben aus, stattdessen wachsen die Unlust – und die Häufigkeit von Infekten. Gelenksschmerzen, Steifheit und Schlafstörungen sind ebenfalls keine Seltenheit mehr. Dabei soll Sport doch eigentlich gut tun. Was ist da los?

AUF AN- FOLGT ENTSPANNUNG
Die Antwort klingt etwas philosophisch, hat aber mit der knallharten Trainingsrealität eines Hobbysportlers mehr zu tun, als man zunächst meinen mag. Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Niebauer von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg klärt uns auf: „Die Erklärung finden wir im Prinzip der Ganzheitlichkeit.“ In jenem Gesetz also, das besagt, dass es den Tag nicht ohne die Nacht geben kann. Dass sich zur Ebbe immer auch die Flut gesellt. Und Yin ohne Yang ohnehin unvorstellbar ist.

„Nur gemeinsam wird aus all diesen Hälften ein großes funktionierendes Ganzes. Und das ist beim Sport nicht anders“, erklärt der Sportmediziner. Es geht auch bei jedem Training um einen gelungenen Mix aus schweißtreibender An- und erholsamer Entspannung. Erst, wenn diese Mechanismen Hand in Hand gehen, dann entsteht das große, gewünschte Ganze – nämlich dein persönlicher Trainingserfolg, samt innerem Frieden und äußerer Fitness.

SPORT SCHWÄCHT DEN KÖRPER
„Leider wird die Wichtigkeit der Regeneration noch immer unterschätzt. Um diese zu erkennen, muss man wissen, was Sport auf physiologischer Ebene bewirkt“, sagt Dr. Niebauer und erklärt: „Es klingt hart, ist aber Tatsache: Sport ist ein Mittel, das den Körper zunächst schädigt.“ Extreme körperliche Belastungen hinterlassen minimale Verletzungen der Muskel- und Sehnenstrukturen – mikroskopisch kleine Risse und Dehnungen, sogenannte Mikroläsionen. Und um die Leistungsbereitschaft zu steigern, kommt noch dazu, dass vermehrt Stresshormone (z.B. Adrenalin) produziert werden. Das wiederum hat zur Folge, dass das Immunsystem zeitweise gehemmt wird.

STÄRKE ENTSTEHT AUS SCHWÄCHE
Die Tatsache, dass Belastungen zunächst schädigend wirken, mag radikal und kontraproduktiv klingen. Doch im Kontext betrachtet, sind es genau diese Schädigungen, die den Körper später wachsen und stärker werden lassen. Vorausgesetzt, man gibt ihm die Chance zur Regeneration“, weiß der Mediziner. Bekommt der Körper nämlich die Möglichkeit, sich ausreichend zu erholen, geschieht genau das, was vom Volksmund so oft zitiert wird: Alles, was dich nicht umhaut, macht dich stärker. „Womit wir wieder beim Prinzip der Ganzheitlichkeit wären“, ergänzt Niebauer. „Es ist eben nicht allein das Training, das Muskeln größer und Menschen fitter macht. Es setzt vielmehr nur den Anreiz. Der eigentliche Stärkungsprozess und damit auch der Trainingserfolg finden in der Phase der Regeneration statt.

Regeneration bedeutet nicht nur, dass bloß eine Reparatur stattfindet, sondern auch eine Art Verbesserung der körperlichen Kräfte. „Dem ursprünglichen Status quo wird in muskulärer und immunologischer Sicht noch eines draufgesetzt“, so Niebauer. Der Körper kennt jetzt nämlich seine potenziellen Schwächungen und wappnet sich derart, dass ihm eine erneute sportlich bedingte Schwächung dieser Art nichts mehr anhaben kann. Und diese Reaktion hat es in sich – denn jetzt wachsen die Muskeln. Und die Abwehr. Und die Laune sowieso.

OHNE PAUSE KEIN ERFOLG
Gönnt man dem Körper diese Phase der Regeneration hingegen nicht, passiert genau das Gegenteil: Der Organismus hat keine Chance, Schäden zu beseitigen und wird schwächer. Muskelwachstum und eine verbesserte Fitness kann man sich, trotz schweißtreibender Trainingsüberstunden, abschminken. Schlimmer noch: Es kann sogar zu einer vermehrten Anfälligkeit gegenüber Bakterien und Vieren kommen. Zudem ist es möglich, dass Verhärtungen und Ablagerungen im Bindegewebe entstehen. Die Folge sind Steifheit und eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit der Sehnen und Bänder.

Was lernen wir also daraus? Überspitzt gesagt, ist Sport ohne eine ausreichende Regeneration wirklich „Mord“ – bei dem nur eines wiederbelebend wirkt: eine gute Erholung! Und wie man genau diese Erholung richtig angeht, darauf wollen wir euch mit Hilfe unseres Experten auf den nächsten Seiten ausführlich einschulen.

REGENERATION IM ZEITRAFFER
So reagiert und regeneriert unser Körper, wenn ihm nach einer starken Belastung im Training oder Rennen die entsprechende Erholungsphase gegönnt wird…

  • 4 – 8 MINUTEN: Der Kreatin-Phosphat-Speicher wird wieder aufgefüllt.
  • 10 – 20 MINUTEN: Der Blutdruck und die Herzfrequenz haben sich wieder völlig normalisiert.
  • 30 MINUTEN: Die Laktat-Konzentration im Blut sinkt wieder auf den Normalwert von 2 bis 3 mmol/l.
  • 60 MINUTEN: In der beanspruchten Muskulatur steigt die Eiweißbiosynthese an.
  • 90 MINUTEN: Änderung des Stoffwechsels von der abbauenden (katabolen) in die aufbauende (anabole) Phase.
  • 120 MINUTEN: In der Muskulatur kommt es zur ersten Regeneration gestörter neuromuskulärer und sensomotorischer Funktionen.
  • 6 STUNDEN – 1 TAG: Der Flüssigkeitshaushalt wird ausgeglichen, die Blutverdickung wird rückgebildet.
  • 1 TAG: Das fehlende Glykogen in der Leber ist wieder aufgefüllt.
  • 2 – 7 TAGE: Das fehlende Glykogen in der beanspruchten Muskulatur ist aufgefüllt.
  • 3 – 4 TAGE: Die Immunabwehrkräfte sind wieder völlig hergestellt.
  • 3 – 5 TAGE: Die Fettspeicher in den Muskeln sind wieder aufgefüllt.
  • 7 – 14 TAGE: Die Ausdauerleistung der Muskulatur hat sich wieder normalisiert.

DIE BESTEN WEGE ZUR ERHOLUNG
Regeneration ist wichtig, das steht fest. Aber die wenigsten wissen, wie eine gute Regeneration tatsächlich ablaufen soll. Grundsätzlich ist Regeneration nichts weiter als ein Prozess des Körpers, bei dem er auf zellulärer Ebene bestimmte Funktionen wieder herstellt, entstandene Schäden repariert und Anpassungen zulässt. Diese Vorgänge laufen zwar automatisch und ganz natürlich ab. „Das darf vom Sportler aber nicht als Freifahrtschein verstanden werden, sich auf die faule Haut zu legen“, warnt Dr. Niebauer, der aus seiner Praxis weiß, dass Regeneration oft falsch als „Faul sein“ verstanden wird. „Damit der Körper gezielt arbeiten kann, ist es sogar wichtig, ihn aktiv bei der Regeneration zu unterstützen.“ Damit sich die SPORTaktiv-Leser künftig sicher sein können, den richtigen Weg zur (sportlichen) Erholung eingeschlagen zu haben, zeigt Dr. Niebauer alle Schritte auf, die für eine gute Regeneration entscheidend sind.

UMFANG DER REGENERATION
Um den Körper bei seinem Reparaturprozess zu unterstützen, gibt es verschiedene Mittel wie regeneratives Training, Massagen und vieles mehr. Inwieweit und welche davon zum Einsatz kommen, ist individuell abzustimmen. Grundsätzlich gilt: „Je anspruchsvoller und härter das Training war, desto länger und intensiver sollte die Erholung stattfinden. Wer aber jeden Tag bloß eine halbe Stunde joggt, fordert den Körper nicht mehr sonderlich heraus und muss daher auch nicht umfassend regenerieren.“ Ein weiterer Wegweiser für Art und Umfang der Regeneration ist das Alter des Trainierenden: „Während der Organismus junger Menschen in der Regel schneller und selbstständiger regeneriert, braucht ein reiferer Körper einfach mehr Zeit und Unterstützung bei der Erholung.“

INTENSIVER COOLDOWN
„Nochmals: Erholung bedeutet nicht Faulheit“, ermahnt der Experte, „der erste Schritt der Regeneration beginnt bereits damit, dass man den Körper nach einer harten Anstrengung nicht abrupt einbremst, sondern kontrolliert zur Ruhe kommen lässt. Das bedeutet, dass man den Cool Down ernst nehmen sollte. Bleibt nicht an der Ziellinie stehen, sondern lauft langsam aus – lasst den Körper in Bewegung zur Ruhe finden. So lange die Muskeln warm sind, kann man auch Dehn- und Gymnastikübungen in seinen regenerierenden Cool Down integrieren. Mindestens zehn Minuten sollten nach jedem Training für Auslaufen, Dehnen und Abkühlen genutzt werden.

REGENERATIVES TRAINING
„Dem Prinzip, den Körper nicht von hundert auf null fallen zu lassen, entspricht auch der Gedanke des regenerativen Trainings“, erklärt Niebauer. Darunter verstehen Experten ein leichtes Workout, das an den Folgetagen einer extremen Belastung stattfinden sollte. „Überwindet euch, auch wenn die Beine noch von der Vortagsbelastung schwer sind. Mit einem leichten Dauerlauf – 20 Minuten lockeres Traben genügen – lauft ihr dem Muskelkater davon und macht dem körperlichen Reparaturprozess Beine.“ Warum das tatsächlich funktioniert? Durch die sanften moderaten Bewegungen werden sämtliche Stoffwechselprozesse (und damit auch die wichtigen Regenerationsmechanismen) beschleunigt.

Hört dabei aber unbedingt auf euer Bauchgefühl und bewegt euch beim regenerativen Training wirklich nur so viel und intensiv, wie es sich gut anfühlt. Nach einem harten Training kann schon ein straffer Spaziergang genügen. Niebauer bringt es auf den Punkt: „Wichtig ist nur, dass ihr überhaupt von der Couch runterkommt.“

DIE HÄUFIGSTEN ERHOLUNGSFEHLER
Was deine Regeneration ganz empfindlich stört, findest du hier:

Regeneration: Die häufigsten Erholungsfehler bei Hobbysportlern

Quelle: Sportaktiv

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