Du willst dir den Traum von einem Marathon erfüllen, fürchtest dich aber vor monatelanger Vorbereitung und stundenlanger Quälerei beim Rennen? Vergiss die Laufschuhe – und steig aufs Rad! Versprochen: Mit den Tipps von unserem Radexperten Paco Wrolich kannst du die „Königsdisziplin“ locker aussitzen.

Allein der Name „Marathon“ lässt im Kopf jedes Hobbysportlers automatisch Bilder von stundenlanger Quälerei, mörderischer Anstrengung und Muskelkrämpfen erscheinen. Paradox, aber wahr: Trotzdem ist es der Wunschtraum vieler Freizeitsportler, sich mit der Bewältigung dieser Königsdisiplin sozusagen in den Adelsstand der Sporttreibenden zu hieven.

Für alle, die aber auch im Traum nicht daran denken, 42 km zu laufen, hat Paco Wrolich, Ex-Profi, eine perfekte Alternative, wie sie sich trotzdem den Titel „Marathon-Finisher“ verdienen können: „Auch im Radsport gibt es diese Königsdisziplin – und ich verspreche euch: Einen Radmarathon könnt ihr schaffen!“ Und damit ihr gleich Bescheid wisst, wie das Abenteuer Radmarathon abläuft, beantwortet Paco hier die wichtigsten Fragen:

1. WIE LANG IST EIGENTLICH EIN RADMARATHON?
Anders als beim klassischen Laufmarathon, der ja mit 42,195 km genormt ist, stehen bei den meisten Radmarathons mehrere Streckenlängen zur Auswahl – eben auch, um allen Radsportlern eine möglichst große Bandbreite anzubieten, aus der sich jeder seine machbare Distanz raussuchen kann. „Ab 80, 90 Kilometer Länge“, sagt Paco Wrolich, „kann man bei Hobbyfahrern sicher schon von einem Radmarathon reden. Gerade in den Alpenregionen sind bei dieser Länge auch bei Straßenmarathons schon genug Höhenmeter zu machen. Und je stärker man ist, umso länger kann die Strecke sein, die man sich auswählt. Bis hin zum Zweihunderter.“

2. WANN KANN ICH MIR EINEN RADMARATHON ZUTRAUEN?
Jeder halbwegs sportlich interessierte Mensch weiß um die monatelange und zeitintensive Vorbereitung, die es braucht, um einen Marathon möglichst unbeschadet durchlaufen zu können. Das „Abenteuer Radmarathon“ ist im Vergleich dazu um vieles leichter umzusetzen. „Wer bisher schon regelmäßig geradelt ist, dreimal die Woche an die 40 km problemlos abspult, kann jederzeit an einem Straßenmarathon teilnehmen“, garantiert Paco und liefert eine ganz logische Begründung dafür: „Wer – wie wir Profis sagen – gut im Windschatten ,mitlutscht‘, der erspart sich extrem viel Kraft. Ich glaube sogar, dass 100 km in der großen Gruppe mitzuradeln leichter ist, als 40 km allein herunterzustrampeln.

Ja, sogar für absolute Rad-Neueinsteiger sieht unser Experte Licht am Marathon-Horizont. Denn während ein Laufneuling normalerweise schon einige Jahre Aufbauarbeit leisten muss, kann auf einen Radmarathon viel schneller hingearbeitet werden. „Von null auf hundert geht auch beim Radfahren nicht, für schwach Trainierte wird jede Steigung sofort zum ,Scharfrichter‘. Neulinge sollten sich zum Beispiel so an dieses Ziel herantasten: Man beginnt mit Strecken von 20 km, nach zwei Wochen sollten 3 x 20 km die Woche möglich sein. Wichtig ist, die Umfänge stets nur langsam steigern, das Wochenpensum maximal um 10 km. Wer dann nach zwei, drei Monaten schon 70 km oder mehr in einem Stück fahren kann, ist wohl auch reif für einen ersten – kurzen – Marathon.“

Einen Tipp hat Paco noch: „Bildet Interessensgemeinschaften! Das Training in der Gruppe macht ungleich mehr Spaß, es ist nie langweilig und man sieht auch am Trainingspartner seinen eigenen Fortschritt. Und vor allem: Ihr übt dabei das Fahren in der Gruppe, das ihr beim Marathon unbedingt braucht.“ (siehe Frage 5).

3. WELCHEN MARATHON SUCHE ICH MIR AUS?
Hier gilt Gleiches wie beim Laufmarathon: Der erste Marathon soll nicht die megasportliche Herausforderung sein, sondern ein Erlebnis, das es zu genießen gilt. „Darum sollten auch alle, die eher mit dem Mountainbike unterwegs sind, zuerst mit einem Straßenmarathon beginnen, bevor sie sich offroad an lange Distanzen heranwagen“, rät Paco Wrolich, „denn gerade für das Fahren im Pulk braucht es eine gewisse Routine. Und die erwirbt man sich auf der Straße doch leichter als im Gelände mit seinen ständig wechselnden Herausforderungen.“

4. WELCHE AUSRÜSTUNG BRAUCHE ICH FÜR DEN MARATHON?
Wer einen Straßenmarathon mitfährt, muss nicht unbedingt auf ein Rennrad steigen – ganz im Gegenteil: „Wer bisher mit einem Mountainbike gefahren ist, sollte vorerst auch auf der Straße dabei bleiben. Denn der Umstieg auf ein Rennrad mit der Gewöhnung an die neue Sitzposition braucht auch Zeit. Allerdings sollten beim MTB die Stollenreifen gegen einen glatten Mantel getauscht werden – das bringt eine Kraftersparnis von 15 % und mehr.“ Hat man dann Lust am Marathonfahren gefunden, ist der Umstieg auf ein Rennrad (wie es 70 % bei den Marathons benützen) natürlich eine Option, um die „Leichtigkeit des Dahinrollens“ neu zu entdecken – „und mit drei, vier Ausfahrten hat man sich auch ans neue Gerät gewöhnt.“

5. WAS SOLL ICH GEZIELT FÜR DEN MARATHON TRAINIEREN?
Um beim Radfahren, wie schon gesagt, im Windschatten „mitlutschen“ zu können, braucht es etwas Routine beim „Fahren im Pulk“. „Um die Angst vor dem Gedränge, vor den knappen Abständen der Räder und vor möglichen Stürzen zu verlieren“, rät Paco Wrolich, „muss speziell das Fahren im Pulk trainiert werden.“

Wie man das richtig trainiert, erklärt der Profi so: „Eine ideale Gruppengröße ist bei vier bis sechs Fahrern gegeben, die sich in der Führungsarbeit immer wieder ablösen. Dabei bildet man eine sogenannte ,Doppelreihe‘, sprich, man fährt zu zweit nebeneinander. Vorn das erste Paar, dahinter das zweite usw. Im flachen Terrain fährt das vorderste Paar in der Regel genau so schnell, dass man dabei noch nicht von größerem Sauerstoffdefizit reden kann. Somit ist gewährleistet, dass man auch effektiv trainiert. Dies ist eine Faustregel für Anfänger! Das Paar an der Front leistet etwa 3 km Führungsarbeit – nicht mehr, damit es hinten nicht allzu langweilig wird.“

Beim Abwechseln in der Führungsarbeit wird zuerst sichergestellt, dass von hinten kein Auto kommt. Das erledigt der linke vorderste Fahrer mit einem kurzen Blick über die Schulter. Sieht er, dass die Straße frei ist, gibt er dem Partner rechts ein Zeichen. Beide machen (sitzend!) drei schnelle Tritte, damit sie gefahrlos jeweils auf die linke bzw. rechte Seite wechseln können. Der linke Fahrer in Fahrtrichtung nach links, der rechte nach rechts. Dann lässt man sich langsam nach hinten durchreihen – und sobald man ganz hinten angekommen ist, reiht man sich wieder ein.

„Bei diesem Training in der Gruppe lassen sich auch intensive Einheiten sehr interessant gestalten: Man bildet statt einer Doppelreihe eine Einserreihe und wechselt dabei rund alle 200 m ab. Auch dabei gilt: zuerst leichter Blick über die Schulter, erst dann wechseln! Ganz wichtig: Prüfe zuerst, von wo der Wind weht. Kommt er von vorne – kein Problem. Kommt er von rechts vorn, wechselt man in den Wind hinein, sprich, nach rechts weg. Und kommt er von links, eben nach links weg. Somit ist gewährleistet, dass ich dem Hintermann den größtmöglichen Windschatten gebe. Das klingt in der Theorie kompliziert – wenn ihr es aber mal versucht habt, funktioniert alles relativ einfach und logisch. Und es macht Spaß.“

Noch ein wichtiger Profi-Tipp zum Thema Windschattenfahren: „Bitte die Augen immer beim Vordermann auf das Gesäß bzw. Übergang zum Rücken gerichtet. Nicht auf die Straße bzw. die Reifen schauen, da verliert man schnell die Orientierung und es kann zu Stürzen kommen. Keine Sorge, das Gefühl für den Abstand kommt dann von ganz allein. Und immer dran denken: Die Hände beim Fahren in der Gruppe sind immer an der Bremse. Und der Blick geht immer nach vorn!“

6. WIE LÄUFT DIE LETZTE STARTVORBEREITUNG AB?
Nicht anders wie beim Laufmarathon beginnt der Countdown für die lange Radstrecke auch schon am Tag vorher. Eine kurze Ausfahrt nur mit Rad, um zu checken, ob alles mit dem Material passt, ansonsten ist Ruhe angesagt. Kraft kannst du dir keine mehr holen, sondern nur noch verlieren. Wichtig ist vor allem die richtige Ernährung: „Je länger die Distanz ist, umso mehr Kohlenhydrate sollte man am Tag vorher zu sich nehmen. Das letzte Essen allerdings sollte nicht später als 17 Uhr sein – und längstens um 23 Uhr ist Bettruhe.“ Auch für den Renntag selbst hat Paco einen klaren Terminplan parat: „Frühstück spätestens drei Stunden vor dem Start, dabei isst man so viel, um die ersten zwei Rennstunden, also bis zur ersten Labestation, ohne Hungerast zu überstehen. An heißen Tagen muss natürlich schon im Vorfeld genug getrunken werden. Und nicht vergessen: Vorsorge treffen, dass beim Start unbedingt zwei gefüllte Flaschen am Rad stecken!“ Dann geht es rechtzeitig ins Startgelände (Startnummer abholen, falls noch nicht erledigt), schließlich im Starterfeld einreihen – „und die Atmosphäre, dieses Prickeln vor dem Startschuss genießen!“

7. WIE LEGE ICH MEINEN ERSTEN RADMARATHON TAKTISCH AN?
Mit dem Einreihen ins Starterfeld ist praktisch auch schon die Taktik für deinen Rennverlauf ausgegeben: „Starke Fahrer, die im Spitzenpulk dabei sein wollen, müssen sich eine Stunde früher anstellen, um vorn noch einen Startplatz zu bekommen. Denn aufgestellt wird bei den Hobbyfahrern immer nach der Reihenfolge des Eintreffens.“

Marathonneulingen aber rät unser Experte, sich besser hinten im Starterfeld einzureihen, weil dort keine Hektik aufkommt. „Wer vorn steht, aber nicht das Tempo der Spitze fahren kann, kommt schon beim Start arg in Bedrängnis.“ Im Rennen selbst gilt das Gleiche wie bei einem Laufmarathon: Fahr dein eigenes gewohntes Tempo, das dich nicht stresst und überfordert. Noch besser ist es, wenn sich von Beginn an eine Gruppe zusammenfindet, die das gleiche Ziel hat – nämlich nicht zu hetzen, sondern das erste Marathonrennen zu genießen.

„Gerade die Radmarathons in Österreich sind hervorragend organisiert“, weiß unser SPORTaktiv-Radexperte, „da läuft alles professionell ab. Und da gibt es vor allem – im Gegensatz etwa zu den Italienern – auch immer genügend Labestationen, die erste meist nach 40 Kilometern. Mein Tipp: Bleibt bei jeder Labestation stehen, um in Ruhe Verpflegung und vor allem Getränke nachzutanken. Und wenn ihr dann noch kraftsparend im Windschatten mitrollt, dann garantiere ich euch, dass euer erster Radmarathon zum unvergesslichen Erlebnis werden wird.“

Quelle: Sportaktiv

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