Warum man besser hört und riecht, wenn man in der Dunkelheit läuft. Und sogar besser sieht.

Zombies, Vampire und andere Nachtschwärmer haben es schon immer gewusst: Die Nacht ist der schönere Tag. Wenn die Tage kürzer werden und rund um Job und Familie die Zeit zum Trainieren wegschmilzt, findet sich der Hobbyläufer unweigerlich im Finstern wieder. Wer es aber schon versucht hat, kennt die Faszination: Man trainiert nicht nur die Muskeln, sondern auch seine Sinne. Das bestätigt Mahdi Sareban, Facharzt für Kardiologie und Sportmedizin in Salzburg und selbst Spitzenläufer. „Durch die reduzierten optischen Sinnesreize kann man sich besser seinen Gedanken widmen.“

DIE AUGEN 
In Großstädten ist man der „Lichtverschmutzung“ ausgesetzt. Dunkelheit herrscht nur abseits von Straßenlaternen, Neontafeln und Autoscheinwerfern. Haben sich die Augen an die vermeintliche Dunkelheit gewöhnt, ist es erstaunlich, wie viel man sieht. Der Läufer ist hochkonzentriert, um kleinste Hindernisse und Bewegungen zu erkennen. „Auf Dunkelheit reagiert das Auge rasch mit einer Pupillenerweiterung“, erklärt Sareban, „mit dem Ziel, Objekte möglichst scharf abzubilden und Gefahren der Umgebung besser erkennen zu können.“ Ein Bonus: Bekannte Strecken wirken völlig anders und sorgen für neue Reize.

DIE NASE
Wenn das Auge als Ersthelfer in Sachen Orientierung ausfällt, setzt sich das Riechorgan besser in Szene und überrascht mit neuen Düften: der Asphalt (trocken/nass), die Bäume, jeder Wald riecht anders, das Brennholz im Ofen des Nachbarn, der verbrannte Gummi von den jaulenden Moped-Hinterreifen der Snapchat-Generation, der Stall, das Stahlwerk und der Duft aus der Pizzeria. „Dieses Frische-Luft-Gefühl braucht der Sportler einfach“, weiß auch Martin Niggas (Luma Active). „Der Konkurrent ist das Laufband im klimatisierten Fitnessstudio. Aber da ist das Outdoor-Erlebnis wesentlich stärker.“

DIE OHREN
Auch die Ohren sind im permanenten Lauschangriff. „Wenn die Pupillenerweiterung zu keiner Verbesserung führt, versucht das Gehirn, über Änderungen der Verschaltungen zwischen den Sinnesorganen andere Sinne und besonders den Hörsinn zu schärfen“, weiß der Mediziner Sareban. „Das Gehirn ist viel plastischer als viele denken. Sobald es merkt, es könnte für den Erhalt wichtiger Lebensfunktionen wichtig sein, passt es sich an.“
Jedes Hundegebell alarmiert die Sinne, jedes Rascheln im Gebüsch formt sich im Gehirn zum Bild eines heranstürmenden Wildschweins. Du hörst alles, du willst ja überleben. Man hört Flugzeuge, quietschende Gartentürl, brüllende TV-Boxen. Das eigene Keuchen sowieso.

DIE FÜSSE
Auch Sohlen und Füße reihen sich zu den Sinnesorganen. Die Laufschuhe tasten den Boden wie Scanner ab. Spätestens beim ersten Schnee, den ersten zugefrorenen Lacken und den rutschigen Zebrastreifen ist man dankbar für gut ausgebildete Sensorik. Stolperfallen werden überlaufen, Gleichgewichtsgefühl und Gelenke besser trainiert. Das bestätigt Lauftrainer Markus Schoiswohl, der mit Salomon Workshops für Nacht-Trailrunning quer durch Österreich (ab 13. Oktober) anbietet: „Bestzeiten und Höchstgeschwindigkeiten stehen nicht im Vordergrund“, sagt er, „vielmehr geht es darum, was rund um einen passiert und vor allem was unter den Sohlen los ist.“ Auch Schoiswohl betont die neue Stärke aller Sinne. „Man baut mehr Vertrauen zu seinen Fähigkeiten und zu seinem Schuhwerk auf. Beim Laufen in der Dunkelheit ist man automatisch wachsamer und vorsichtiger.“

Bei allem Faible fürs Dunkle sollten Lauf-Zombies aber nicht vergessen: nichts ersetzt das Sonnenlicht. Oder wie der Sportmediziner Sareban über die „Lichtexposition“ sagt: „Wer im Winter frühmorgens läuft und dafür länger arbeitet, dem fehlt die ausreichende Zeit im Tageslicht, das für die Bildung von Vitamin D notwendig ist.“ Für richtig viel Licht sorgen in Wien einige Damen, die sogenannte „Flashruns“ mit bunten Knicklichtern organisieren. „Flashruns sind eine coole Abwechslung“, erzählen die Veranstalterinnen „Lena & Barbara“ vom Blog Wien-Mitte. „Je mehr Reflektoren und Lichter, desto besser. Bunte Lichter machen einfach gute Laune und bringen Abwechslung.“

Quelle: Sportaktiv

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