Sport baut Stress ab. Aber nur, wenn die Dosis stimmt. Sonst kann der Schuss nach hinten losgehen, sogar ein Burn-out kann durch Sport mitverursacht werden. Experte Klaus Landauf erklärt, wie Hobbysportler erkennen, ob die Marschrichtung passt – und wie gestresste Sportler zurück in die richtige Spur finden.

Das kennt wahrscheinlich jeder: Nach einem harten Arbeitstag sträubt sich alles in dir dagegen, noch die Laufschuhe anzuziehen oder dem Fitnessstudio einen Besuch abzustatten. Hast du dich dann trotzdem überwunden, die Anspannung und möglicherweise auch manches Frusterlebnis herausgeschwitzt, dann darfst du dir wirklich gratulieren: Schließlich ist, wie jeder weiß, Sport „der beste Stresskiller“. Sagt man. Das Problem dabei: Leider ist diese Aussage wieder einmal eine Vereinfachung, die so pauschal ausgesprochen nicht stimmt – und an die Klaus Landauf, Grazer Mentalcoach für Spitzen- und Hobbysportler sowie Unternehmensberater, jedenfalls mit einer alarmierenden These herantritt: „Ich behaupte vielmehr, dass sehr viele Freizeitsportler mit ihrer sportlichen Betätigung nicht den Stress abbauen, sondern sich noch mehr unter Stress setzen.“

VIELE SIND AUS DER SPUR
O.K., wie ist das jetzt genau mit dem Zusammenhang zwischen Sport und Stress? Die Antwort: Es gibt eben immer zwei Seiten der Medaillen: Einerseits stimmt es natürlich, dass (moderater) Sport als Ventil für den Stress, der sich tagsüber aufgestaut hat, dienen kann. Andererseits kann Sport – wenn zu hohe Intensitäten im Spiel sind – absolut kontraproduktiv wirken. Dann bleiben nicht nur die gewünschten positiven Effekte für Körper, Geist und Seele aus – auch schwerwiegende Folgen wie das gefürchtete Burnout können durchaus von zu ehrgeizig betriebenem Freizeitsport (mit-)verursacht werden. Es gilt also, die richtige Dosis zu finden. Aber diesbezüglich sind nach der Erfahrung des Mentaltrainers Klaus Landaufs viele, die glauben, alles richtig zu machen, in Wahrheit weit von der Spur abgekommen.

STRESS LÄSST SICH MESSEN
Aber noch zur näheren Erklärung, warum man unseren Experten unbedingt ernst nehmen sollte: Klaus Landauf gehört zu den wenigen, die Stressbelastungen messen und objektiv darstellen können. Nur so viel dazu: Über die Messung verschiedener körperlicher Parameter, vor allem aber der sogenannten „Herzratenvariabilität“, gelingt es dem Experten, das allgemeine Stressniveau, dem der Proband ausgesetzt ist, sichtbar zu machen. Und auch das Verhältnis zwischen Anspannungs- und Erholungsphasen, die man im Durchschnitt durchlebt. „Um optimale Leistung abrufen zu können, muss man in erster Linie versuchen, genau dieses Verhältnis zwischen Spannungs- und Entspannungsphasen, dass sich im vegetativen Nervensystem durch das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus manifestiert, auf ein gesundes Maß einzupendeln“, weiß der Mentalcoach.
Als gesund und dauerhaft verkraftbar gilt ein Verhältnis von höchstens vier Anspannungs- zu einer Entspannungsphase. Darin liegt auch die Crux der Sache: (Zu) harte Sporteinheiten nimmt der Körper letztlich als zusätzliche „Stresseinheit“ wahr!
Immer Gas geben, auch im Sport – „das kann eine Zeit lang gut gehen. Aber irgendwann kommen Körper und Geist nicht mehr mit,“ warnt Landauf, der aus unzähligen Messungen über viele Jahre hinweg weiß: „Hobbysportler investieren in den Bereich der Regeneration im Durchschnitt viel weniger als Leistungssportler.“ Und die gewünschte Wirkung, die geistige Anspannung im Job mit der körperlichen Anstrengung nach Feierabend ausgleichen zu wollen, geht nicht auf. Weil man Feuer nicht mit Feuer bekämpfen kann…

SO STRESST SPORT
Damit endgültig klar ist, wovon die Rede ist, nennt der Experte wichtige Ansatzpunkte, an denen man erkennt, ob man sportlich Stress ab- oder vielleicht doch wiederaufbaut. Zunächst ein paar Warnsignale:

  • Die sportliche Verabredung nach der Arbeit wird zum zusätzlichen Pflichttermin.
  • Schon die Anfahrt zur sportlichen Verabredung passiert unter Zeitdruck – zum Aufwärmen bleibt keine Zeit.
  • Sport bedeutet für dich in erster Linie Wettkampf und Prestige; es geht ums Gewinnen, nicht um den Spaß.
  • Sport wird unregelmäßig (wann gerade Zeit ist) und wenn, dann mit einer hohen Intensität ausgeübt. Typisch: der Manager, der in der Früh mit Durchschnittspuls 160 eine Laufrunde dreht!
  • Weit verbreitet ist auch die Überzeugung: „Wenn es mir am nächsten Tag weh tut, habe ich gut trainiert.“

… UND SO BAUT SPORT STRESS AB
So sollte es stattdessen sein:

  • Training braucht einen professionellen Plan! Regelmäßige Einheiten mit angemessenen Ruhepausen in einen stressigen Berufsalltag zu integrieren, ist eine Kunst, die man lieber einem Profi überlässt.
  • Andererseits soll schon der innere Antrieb motivieren, und nicht die Pflichterfüllung eines Trainingsplans. Ist zweiteres der Fall, liegt es vielleicht an der falschen Sportart.
  • Such dir eine Sportart, die dir Spaß macht – und nicht die andere von dir erwarten.
  • Eine solide Grundlagenausdauer und ein hoher Anteil von Einheiten im niedrigen Pulsbereich sind für stressabbauendes Training entscheidend. Landaufs Faustregel: „Knapp 60 Prozent vom Maximalpuls – das erreichen viele Kandidaten schon beim schnellen Gehen!“
  • Die Basis in Form der Grundlagenausdauer sollte geduldig aufgebaut werden – „viele glauben, dass ihnen die Zeit dafür fehlt. Aber aus gesundheitlichen Gründen sollte man zwei bis drei Monate reininvestieren.“
  • Ein Training soll spätestens eineinhalb Stunden vorm Zubettgehen enden. Nach Nachmittags- und Abendsport sollte eine kurze „Entspannungseinheit“ folgen.
  • Kleinere Kuchen backen! Auch wenn ein Prestigeziel wie das Finishen eines „Ironman“ gerade für Menschen, die im Beruf ehrgeizig und erfolgreich sind, verlockend klingt: Es muss neben dem Job immer genügend Zeit für Training und erst recht für Regeneration bleiben.

FÜNF MINUTEN TÄGLICH
In unserer generell stressigen und hektischen Zeit empfiehlt Landauf übrigens allen – Sportlern genauso wie Nichtsportlern – sich Entspannungstechniken anzueignen, die man in die Tagesroutine einbaut. Egal, ob es sich dabei um Atemübungen, Visualisierungstechniken oder anderes handelt: Der Zeitaufwand für solche Übungen ist klein – der Effekt dafür aber groß. „Ich empfehle immer, die gleiche Zeit wie fürs Zähneputzen auch in die Reinigung des Gehirns zu investieren. Schon mit fünf Minuten täglich kann man extrem viel für seine Gesundheit tun!“ Vor allem: Wer solch kurze, aber effektive Erholungsphasen in die Tagesroutine einbaut, geht garantiert entspannter in die abendliche Sporteinheit …

Quelle: Sportaktiv

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