Viele Läufer leiden am sogenannten Läuferknie. Woher kommt dieser Knieschmerz und was kann man dagegen tun? Der Orthopäde Dr. med. Riet Parli vom Salem-Spital in Bern erklärt uns im Interview den Ursprung dieser Beschwerden, wie man ein Läuferknie behandelt, aber auch, was man vorsorglich dagegen tun kann.

Herr Dr. Parli, was sind typische Beschwerden, die Laufsportler im Kniebereich haben können?

Es gibt akute und chronische Knieprobleme. Akute Knieprobleme sind im Laufsport eher selten und unfallbedingt, wie zum Beispiel ein Sehnenriss oder eine Meniskusverletzung. Zu den häufigeren chronischen Beschwerden zählen Sehnenansatzüberlastungen oder eben das Läuferknie.

Dann ist das Läuferknie also ein eigenes Krankheitsbild? Worin besteht dieses?

Ja. Im deutschsprachigen Raum ist relativ klar definiert, was ein Läuferknie ist. Etwas verwirrend ist leider, dass im angelsächsischen Raum das sogenannte „Runner’s Knee“ ein anderes Krankheitsbild darstellt, nämlich eine Überlastungsproblematik des Kniescheibengelenks. Aber bleiben wir beim deutschsprachigen Läuferknie:

Beim Läuferknie geht es um einen Schmerz an der Knieaussenseite und es wird auch als iliotibiales Bandsyndrom oder Tractussyndrom bezeichnet. Das iliotibiale Band ist eine sehnenartige Struktur auf der Aussenseite des Oberschenkels, die seitlich über das Knie geht und an der Aussenseite des Schienbeins endet. Oben im Hüftbereich wird das iliotibiale Band durch einen Muskel gespannt. Diese Struktur funktioniert wie eine Zuggurtung und fängt am Oberschenkel Beugekräfte nach aussen auf. Bei Bewegungen kann es aber an der Aussenseite des Knies zu Scheuer- und Reibeproblemen kommen, die Schmerzen verursachen, womit wir beim sogenannten Läuferknie wären. Diese Reibung verursacht Reizzustände, die bis zu Schleimbeutelentzündungen führen können.

Das Läuferknie tritt vor allem bei Sportarten mit zyklischen, gleichförmigen Bewegungen auf, die in Strecknähe des Knies gemacht werden. Typischerweise beim Laufen (daher der Name Läuferknie), aber zum Beispiel auch beim Velofahren.

Was sind die Ursachen?

Ursachen eines Läuferknies sind vor allem Muskelprobleme: Eine verkürzte Muskulatur kann den Zug auf das iliotibiale Band und so das Risiko einer Reizung erhöhen, genauso wie ungleich trainierte Muskelanteile oder eine Muskelschwäche, also jegliche Art von Muskeldysbalance.

Weiter erhöhen auch starke O-Beine das Risiko eines Läuferknies, da diese den Zug auf der Aussenseite des Oberschenkels verstärken. Dies kann ein statisches O-Bein sein, also eines, das man bereits im Stehen sieht, aber auch ein dynamisches O-Bein, das erst beim Laufen auftritt. Ebenfalls kann ein Rückfuss, der nach innen kippt, ein Läuferknie fördern.

Es gibt also Leute, die eher dazu neigen, ein Läuferknie zu entwickeln, als andere. Nichtsdestotrotz spielen die Trainingsart und Intensität auch eine Rolle. Je grösser und monotoner die Belastung, desto eher kommt es zu einer Überbelastung und Probleme wie ein Läuferknie können auftreten.

Neigen eher Hobby- oder Extremsportler zu einem Läuferknie?

Das spielt eigentlich weniger eine Rolle, sondern wie der Trainingszustand im Vergleich zur Belastung und wie vielseitig das Training ist. Vielleicht ist sogar der Hobbysportler etwas mehr gefährdet, weil er weniger regelmässig und nicht so breit und professionell trainiert. Stichworte sind hier Rumpfstabilität, Beinachsenkontrolle beim Laufen, Koordination etc.

Wie äussern sich die Beschwerden eines Läuferknies im Sport und im Alltag?

Durch Schmerzen an der Knieaussenseite, häufig dumpf bis stechend, die in Richtung Schienbein ausstrahlen können und auf Druck stärker werden. Äusserlich sichtbar, wie zum Beispiel eine Schwellung, ist nichts.

Der Schmerz hängt etwas vom Umfang der Reizung ab. So zeigt er sich typischerweise beim Treppensteigen oder beim Training, das verunmöglicht wird. Ein Läuferknie mit einer Schleimbeutelentzündung verursacht oft auch Ruheschmerzen, also auch im Alltag, wenn man sich nicht extrem bewegt, sowie nachts. Es kann auch sein, dass solche Schmerzen nur nach einer gewissen Belastung auftreten, zum Beispiel kurz nach dem Lauftraining.

Wann sind die Alarmsignale, dass ein Gang zum Arzt angesagt ist?

Sobald Schmerzen während oder nach der Belastung auftreten und durch eine Trainingspause und lokale Massnahme (z.B. Schmerzgel) nicht verschwinden. Und wenn ein erwünschtes Training nicht mehr stattfinden kann, ist der Arztbesuch ebenfalls zu empfehlen.

Wie wird ein Läuferknie diagnostiziert?

Das Wichtigste ist die Befragung, also herauszufinden, wann die Schmerzen auftreten und welchen Sport der Patient in welcher Trainingsintensität macht. Die körperliche Untersuchung gibt aufgrund des typischen Schmerzes an der Knieaussenseite meist schon die ziemlich klare Diagnose Läuferknie. Zusätzlich können noch bilgegebende Verfahren wie Ultraschall helfen und allenfalls ein MRI, mit welchem aber eher andere vermutete Probleme ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel eine Meniskusproblematik oder eine Überlastung des Kniescheibengelenks.

Wie wird ein Läuferknie behandelt?

Zuerst erfolgt eine genügend lange Trainingspause. Diese ist individuell sehr unterschiedlich, meist drei bis sechs Wochen. Dazu kommen Therapien wie Kühlung, allenfalls entzündungshemmende Gels und Dehnung des Muskels, der mit dem iliotibialen Band verbunden ist. Reicht dies nicht aus, kommt die Physiotherapie zum Zug mit Stabilisation des Beckens und Rumpfs, damit die mechanische Situation verbessert wird. Allenfalls erfolgt auch eine Behandlung mit Ultraschall oder Stosswellen.

Ziemlich am Schluss der Behandlungskette stehen invasive Massnahmen, vor allem bei einer starken Entzündung des Schleimbeutels: Also zum Beispiel Cortisonspritzen, um die Entzündung zu beruhigen, was man aber nicht x-beliebig oft wiederholen sollte. Andere Möglichkeiten sind das Spritzen von Arnika, das ebenfalls entzündungshemmend wirkt, oder von Hyaluronsäure als Gleitmittel gegen die Reibung. Weiter gibt es die PRP-Technik: Dabei wird aus körpereigenem Blut in einer Zentrifuge Plasma hergestellt, das wieder in den Körper injiziert wird und dort zur Heilung anregen soll.

Eine Operation ist bei einem Läuferknie eher die Ausnahme.

Wer viel Laufsport macht und unter einem Läuferknie leidet, sollte eine Laufanalyse mit dynamischer Beinachsenbeurteilung machen. So kann er nach der Heilung seinen Laufstil beeinflussen, zum Beispiel mit speziellen Übungen, durch eine Schuhanpassung für die Rückfussstellung oder durch Einlagen.

Kann man mit einem behandelten Läuferknie weiter Laufsport betreiben?

Ja. Wichtig ist, dass man langsam und aufbauend wieder in den Sport einsteigt. Entscheidend ist auch eine gute Balance zwischen Training und Regeneration, sowohl für Extrem- als auch Hobbysportler. Man muss auch einmal den Mut haben, eine bewusste Pause zu machen, damit sich der Körper wieder erholen kann.

Zudem sollen möglichst alle Faktoren eliminiert werden, die ein Läuferknie fördern, zum Beispiel dank einer Laufanalyse, optimaler Schuhe oder allenfalls Einlagen. Muskeldysbalancen sollen mit gezielten Kräftigungsübungen ausgeglichen werden. Aufwärmen und konsequentes Dehnen sind ebenfalls wichtig.

Womit wir schon bei den Vorbeugemöglichkeiten wären.

Genau. Basis ist sicher ein abwechslungsreiches Training: Also nicht jeden Tag laufen, sondern auch einmal aufs Velo wechseln oder schwimmen. Oder auch etwas ganz anderes wie Pilates oder Yoga zur Verbesserung der Beweglichkeit. Bei Patienten mit Belastungsproblemen liegt nämlich häufig ein Beweglichkeitsproblem vor. Koordinationstraining und Kräftigungsübungen für Rumpf und Becken gehören ebenfalls ins Trainingsprogramm.

Und wie schon erwähnt: Bei sehr aktiven Laufsportlern macht sicher ein kontrolliertes Lauftraining mit Analyse auf dem Laufband Sinn, wobei der Laufstill von einem Profi analysiert wird: Schrittlänge, Vorfuss-/Rückfussbelastung, Schrittfrequenz etc. So kann man bei Bedarf eingreifen, den Laufstil korrigieren oder mit einem passenderem Schuh vorsorglich Abhilfe schaffen.

Besten Dank für das spannende Interview.

Quelle: Datasport

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