Der Frühling kommt, die guten sportlichen Vorsätze auch. Doch bevor Sie mit dem Training beginnen, räumen wir mit acht Fitnessmythen auf.

Die vergangene Woche hat es erahnen lassen, Hoch Guido sei Dank: Der Frühling kommt. Die Luft riecht nach Frühblühern und Aufbruch. Die Märzsonne zeigt, was sie schon kann, und in der Mittagspause ruft statt Neonlicht in der Kantine die Parkbank in der Wärme. Sobald die ersten Sonnenstrahlen kraftvoll vom Himmel scheinen, wird die Felljacke gegen den dünnen Mantel eingetauscht, die dicke Cordhose gegen ein Röckchen und die gemütliche Trägheit gegen das beißend schlechte Gewissen. Denn der Frühlings-Look zeigt, was die Daunenjacke versteckt hat: die winterlichen Fettpölsterchen.

Folgen:

Vor zahlreichen Badezimmerspiegeln wird deshalb auch in diesen Tagen wieder einmal der Entschluss getroffen: Der Körper muss bis zum Sommer in Form sein. Doch aufgepasst! Wer seinen Trainingsplan für die nächsten Wochen entwirft, kann einiges falsch machen. Mythen unter anderem über den richtigen Tageszeitpunkt zum Laufen oder das effektive Aufwärmen vor dem Sport halten sich standhaft gegen jedes Studienergebnis – und das nicht nur bei Freizeitsportlern, wie Winfried Banzer sagt. Auch bei Spitzenathleten muss der Frankfurter Sportmediziner immer wieder Aufklärung leisten, meist mit dem Satz: „Das ist wissenschaftlich aber nicht belegt.“

Im vergangenen Jahr haben er und sein Sportmedizin-Team von der Frankfurter Universität versucht, nach wissenschaftlichen Belegen zu suchen für alle möglichen Ratschläge, die sich Sportler immer wieder untereinander geben. Sie haben Patientenanfragen gesammelt, Artikel aus Zeitschriften nachrecherchiert und Fragen unter die Lupe genommen, die ihnen selbst Ärzte häufig stellen – vieles von alldem entpuppte sich beim Blick in die Fachliteratur als falsch.

„Von Trainergeneration zu Trainergeneration werden Regeln oder Aufwärmübungen weitergegeben, die keinerlei wissenschaftliches Fundament haben, von denen aber alle glauben, dass sie dem Körper wohltun und den Trainingseffekt steigern“, sagt der Professor. Als Beispiel nennt Banzer den „tiefen Entengang“ beim Judo. „Wer sich so in der Hocke fortbewegt und das gleich mehrmals die Woche beim Training, bekommt einen Meniskusschaden, das kann ich garantieren, da muss man kein Prophet sein.“

Zugegeben, Judo macht nicht die breite Masse in Deutschland, aber wir haben mit dem Sportmediziner über acht weitere Fitnessmythen gesprochen, die Kinder und Jogging-Liebhaber betreffen, die ältere Menschen und Fitnessstudio-Fans überraschen werden.

Mythos 1: Wer schon vor dem Frühstück trainiert, nimmt schneller ab.

Wer bisher, kaum hat der Wecker geklingelt, schon in den Joggingschuhen stand, kann sich entspannen und demnächst erst nach dem Frühstück loslaufen. Studien hätten zwar belegt, dass beim Frühsport auf leeren Magen der Fettanteil an den verbrannten Kalorien größer sei als zu anderen Zeitpunkten, erklärt Banzer. Das erlaube aber nicht den Rückschluss, dass sich damit auch stärker abnehmen lässt. Denn wer nüchtern trainiere, tue das bei deutlich reduzierter Intensität, und damit sei eben auch ein deutlich geringerer Gesamtenergieverbrauch verbunden.

Außerdem komme es beim Abnehmen auf die insgesamt verbrauchten Kalorien und nicht nur auf den Anteil der Fettverbrennung am gesamten Energieverbrauch an. Regelmäßig und abwechslungsreich trainieren, das seien die wichtigsten Tipps, um Gewicht zu verlieren. Nüchtern zu trainieren ist übrigens nicht nur wenig effektiv, sondern birgt auch die Gefahr einer Unterzuckerung für den Sportler.

Mythos 2: Füllige Oberschenkel und den Bierbauch kann man gezielt trainieren.

„Problemzonen in wenigen Tagen einfach wegtrainieren“ – solche Versprechen finden sich in vielen Frauenzeitschriften. Doch Sportmediziner Banzer hat schlechte Nachrichten: Das funktioniert nicht. Zwar könne man in aktiven Muskeln eine erhöhte Fettabbaurate nachweisen, die sei aber nicht nachhaltig und schnell wieder aufgefüllt. Um einen Fettabbau auch wirklich sehen zu können, sei es ratsam, viele große Muskelgruppen regelmäßig zu trainieren – mit Walken, Radfahren und Schwimmen. Sit-ups und Leg-Curls – wie sich Übungen für Beine, Po und Bauch gern nennen – sollten dann zusätzlich gemacht werden, um alles zu festigen.

Mythos 3: Ausreichend regelmäßiges Trinken ist während des Sports wichtig.

Wer häufig angeleitete Kurse im Fitnessstudio besucht, kennt die Aufforderung vom Trainier: „Und nun etwas trinken, bitte!“ Aber auch ohne diesen Hinweis haben viele Freizeitsportler die Angst, beim Schwitzen zu viel Flüssigkeit zu verlieren, und planen deshalb regelmäßige Trinkpausen ein. Banzer sagt: „Es ist nicht belegt, dass die Leistung sich verbessert, nur weil man sich an einen vorgegebenen Trinkrhythmus hält.“ Man fahre besser, wenn man sich an sein individuelles Durstgefühl halte. Der Körper zeige einem, wann er Flüssigkeit benötige und wann nicht. Sich nicht an pauschale Faustregeln zu halten, das sei auch die aktuelle Empfehlung der Sportmedizin. Wer viel schwitzt beim Sport, zeigt übrigens laut Banzer, dass seine Thermoregulation gut trainiert ist. Schnelles Schwitzen sagt nämlich nichts über die Kondition aus – ganz im Gegenteil.

Mythos 4: Regelmäßiges Joggen ist schlecht für das Kniegelenk.

Wenn es im Kniegelenk schmerzt und zieht, heißt es nicht selten von Kollegen und Verwandten: „Das kommt sicherlich vom Joggen.“ Für alle, die sich das immer mal wieder anhören müssen, hat Mediziner Banzer ein Gegenargument. Das menschliche Kniegelenk sei ausgesprochen dynamisch und anpassungsfähig. „Es liegen wissenschaftliche Untersuchungen vor, die zeigen, dass Joggen das Kniegelenk sogar stärkt.“ Bei einer der größten unter diesen Studien fanden die Wissenschaftler heraus, dass gerade die Menschen, die besonders viel laufen, das niedrigste Arthroserisiko hätten. Sollte der Schmerz im Knie aber nicht weggehen, ist es natürlich ratsam, sich an einen Arzt zu wenden und nicht stur weiter zu joggen.

Mythos 5: Vor dem Training sollte man sich unbedingt ausgiebig dehnen.

Soll man nun die Muskeln strecken und recken zum Aufwärmen oder nicht? Diese Frage kann einen als sportbegeisterten Laien fast verrückt machen, aus jeder Ecke eine andere Meinung. Banzer hat mit seinem Team nach wissenschaftlichen Grundlagen gesucht und herausgefunden: Es gibt keine Belege dafür, dass das Dehnen vor dem Training irgendwelche Vorteile bringt. Das statische Dehnen auf der Stelle beugt Verletzungen nicht vor. In Vorbereitung auf ein Tennisspiel beispielsweise sei es ratsam, langsam um den Platz zu laufen, die Gelenke zu bewegen oder sich im Kleinfeld einzuspielen, damit der Körper warm wird. Nach dem Sport sind Dehnübungen übrigens zum „Cool-down“ absolut sinnvoll.

Mythos 6: Am Muskelkater ist die vermehrte Milchsäure schuld, und mit Bewegung bekommt man ihn weg.

Beim genauen Hinhören kann man fast ein leichtes Stöhnen vernehmen, wenn Banzer beginnt, über diesen Irrglauben zu sprechen. Er scheint aus den Köpfen der Menschen nur schwer zu löschen zu sein. „Die Ursache für Muskelkater sind kleine Mikrotraumata in den Muskelzellen“, sagt Banzer. Kennt man die wirkliche Ursache für Muskelkater, könne man auch leicht verstehen, dass man Muskelkater nicht mit Sport bekämpfen kann – ein weiterer Irrglaube. Leichte Bewegung hingegen kann etwas Abhilfe schaffen. Es gebe Hinweise aus Studien, dass Massagen oder Akupunktur beim Bekämpfen der Schmerzen helfe. Die einfachste Variante allerdings bleibt wohl, geduldig abzuwarten, bis der Schmerz nachlässt.

Mythos 7: Wer über 70 ist, kann nicht mehr viel für seine Fitness tun.

„Das ist Quatsch“, sagt der Mediziner. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sowohl Krafttraining als auch Ausdauertraining bei betagten Menschen zu einer deutlichen Verbesserung der Kraft und des medizinischen Risikoprofils führen. Das heißt, alte Menschen, die ihre Muskelkraft effektiv trainieren, können sich häufig länger selbst versorgen und länger selbständig leben. Außerdem beugen sie so Unbeweglichkeit und Herz-Kreislauf-Beschwerden vor. Das Alter ist keine Entschuldigung beim Sport.

Mythos 8: Kinder dürfen kein Krafttraining machen.

„Selbstverständlich dürfen sie“, sagt Banzer. Krafttraining fördert ihre Körperbeherrschung und Stabilität. Das sagt auch die Forschung. Banzer selbst rät aber – im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen – dazu, dass Kinder bis zum Alter von etwa 14 Jahren Krafttraining nur mit dem eigenen Körpergewicht machen sollten, nicht mit Gewichten. Liegestütze oder Klimmzüge sind erlaubt.

Quelle: FAZ

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